Ängstlich schaute der Mann in Friedas
Augen. „Ich habe von deinem Schicksal gehört“, sagte Frieda. „Bitte sag mir, ob
du meinen Mann, Paul Mayer, kennst?“ „Ja, den haben sie genauso, wie mich
behandelt. Er hat mir gesagt, er habe sich mit einem Freund gestritten. Es muss
wohl um Land gegangen sein oder so etwas. Der Freund ist mit den Russen gut
befreundet. Er hätte es den Russen gesagt und die hatten ihn dann vom Acker weg
in die Stadt geschleppt. Sie haben ihn anschließend nach Buchenwald gebracht.“
„Nach Buchenwald?“, fragte Frieda ängstlich. „Ja, bei Weimar.“ „Dort wurden doch
die Juden von den Nazis umgebracht. Ich dachte dieser Horror wäre endgültig
vorbei?“ „Die haben dort ein Lager eingerichtet, aber sie vergasen da keinen.
Sie müssen arbeiten und bekommen nicht viel zu fressen. Irgendwann sterben sie
an irgendeiner verdammten Krankheit.“ „Ich habe ihm doch Essen und andere
Lebensmittel gebracht“, sprach Frieda. „Ja, das fressen die verdammten Russen.
Nichts hat dein Mann davon je zu Gesicht bekommen.“ Die Frau brach fast
zusammen. „Geht es ihnen gut?“, fragte sie der alte Mann. „Ich will nach Hause
zu meinen Kindern.“ Sie fuhr auf ihrem Fahrrad mit einem starren
Gesichtsausdruck unverzüglich nach Hause. Sie überlegte, ob sie nicht zu ihrer
Freundin fahren sollte, um ihr zu berichten. Dann fiel ihr jedoch plötzlich ein,
dass dort die Russen waren. Also fuhr sie auf direktem Wege nach Hause. Am
nächsten Tag besuchte Rosa wieder einmal unbemerkt und unbeeindruckt von den
Drohungen ihres Mannes ihre Freundin Frieda. Erst hatte diese sie angeschrien
und beschimpft. Aber als sie bemerkte, dass Rosa von alledem nichts wusste,
wurde Frieda leiser. Sie erzählte ihr, was sie von dem Flüchtling erfahren
hatte. Rosa erfuhr in diesem Gespräch mit Frieda, dass ihr eigener Mann dafür
gesorgt hatte, dass Paul Mayer von den Russen ins KZ verschleppt wurde. Rosa
wollte es nicht glauben. Lautlos und ohne ein Wort des Abschieds verließ sie
ihre Freundin, die ja nun nichts mehr mit ihrer Familie zu tun haben wollte.
Rosa kam zu Hause an und kümmerte sich um den kleinen Peter. Am Abend ging die
Tür auf und ihr Mann kam mit zwei russischen Offizieren ins Haus. Er wollte sie
begrüßen. Rosa hatte den Kleinen schon schlafen gelegt und sie schrie ihren Mann
an. „Was hast du getan?“ „Schrei mich nicht so an! Was soll ich getan haben?“
Rosa ergriff die Jacke ihres Mannes und brüllte ihn an. „Du hast den Mann meiner
besten Freundin ins KZ gebracht. Du bist ein Schwein. Nur wegen eines kleinen
Streites.“ Sie spuckte ihren Mann direkt ins Gesicht.